+4.19%
YTD 2025
+23.37%
Jahr 2024
+12.28%
Jahr 2023
-6.63%
Jahr 2022
+20.79%
Jahr 2021

Tückisches Stockwerkeigentum

steuern-und-vorsorge-3

Fast die Hälfte des Wohneigentums steht unter den rechtlichen Regeln des Stockwerkeigentumsrechts. Stockwerkeigentumswohnungen werden gekauft und verkauft. Kaum einer ist sich bewusst, dass es gerade beim Stockwerkeigentum immer wieder zu Überraschungen kommt. Ein Teil der Überraschungen ist auf die Möglichkeit zurückzuführen, dass ein Unternehmer, der Arbeiten an einer Liegenschaft ausführt, ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen lassen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Liegenschaft Stockwerkeigentumseinheiten enthält. Im Jahr 1999 hat sich das Bundesgericht zu ein paar der sich dabei stellenden Probleme geäussert (BGE 125 III 113).

Sachverhalt
Auf einem Grundstück Nr. 2241 befindet sich eine grössere Überbauung. Die Überbauung besteht aus sieben Mehrfamilienhäusern (Häuser A-G) sowie einer zentralen Unterniveautiefgarage. Das Gesamtgrundstück und damit auch die Häuser und die Tiefgarage stehen im Miteigentum der einzelnen Stockwerkeigentümer. Eine Bauunternehmung lieferte ab April 1994 Frischbeton für die Kanalisation der Überbauung. Die Überbauung wurde etappenweise realisiert, d. h. Haus nach Haus. Dabei wurden nach der Fertigstellung einer Etappe die einzelnen Wohnungen jeweils rasch verkauft.
Dem Bauunternehmer wurden ab Mai 1995 die Rechnungen nicht mehr bezahlt. Der Besteller des Frischbetons ging in der Folge in Konkurs. Im Dezember 1995 liess der Bauunternehmer deshalb ein Bauhandwerkerpfandrecht auf allen Stockwerkeigentumseinheiten der gesamten Liegenschaft, also in allen sieben Häusern, eintragen. Betroffen waren auch Stockwerkeigentümer, welche ihre Wohnung schon Monate vorher gekauft und bezahlt, sowie mit der Realisierung der Überbauung gar nichts zu tun hatten.

Rechtsnatur des Stockwerkeigentums
Der Gesetzgeber hat das Stockwerkeigentum so ausgestaltet, dass jeder Stockwerkeigentümer einen Miteigentumsanteil am Grundstück insgesamt hat. Zusätzlich steht ihm ein Sonderrecht zu. Gemäss diesem Sonderrecht kann er gewisse Teile des Gebäudes ausschliesslich benutzen und innen ausbauen.

Bauhandwerkerpfandrecht
Leistet ein Unternehmer Arbeit an einem Gebäude oder liefert er Material und verarbeitet es im Gebäude, so kann er innerhalb von vier Monaten nach der letzten Arbeitsleistung auf dem Gebäude ein Pfandrecht zur Sicherung seiner Forderung eintragen lassen. Der gesetzgeberische Grund liegt darin, dass der Unternehmer durch seine Arbeit einerseits zum Mehrwert des Gebäudes beigetragen hat, andererseits aber das Resultat seiner Arbeit wegen dem Akzessionsprinzip dem Eigentümer der Liegenschaft anfällt. Der Schweizer Gesetzgeber hat den Bauunternehmer deshalb durch ein Bauhandwerkerpfandrecht geschützt. Lässt er die Frist von vier Monaten nach der letzten Vollendungsarbeit verstreichen, verwirkt er das Recht auf Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts.

Spezialfall Stockwerkeigentum
Leistet der Bauunternehmer Arbeit für eine Liegenschaft, welche im Stockwerkeigentum steht, so stellt sich die Frage, was Objekt des Pfandrechts ist. Wird die Arbeit für die individuelle Ausgestaltung einer Stockwerkeigentumseinheit geleistet, so kann das Pfandrecht nur auf dem betreffenden Miteigentumsanteil eingetragen werden. Steht die Arbeit aber im Zusammenhang mit den gemeinschaftlichen Bauteilen, so werden alle Miteigentumsanteile belastet. Der offene Werklohn wird dabei nach den Wertquoten auf die einzelnen Miteigentumsanteile gelegt. Letzteres war vorliegend der Fall, weil die Kanalisation immer einen gemeinschaftlichen Bauteil darstellt.

Fazit
Im vorliegenden Fall wurden deshalb Käufer vom Bauhandwerkerpfandrecht überrascht, obwohl sie die Eigentumswohnung Monate vorher vollständig bezahlt und bezogen hatten. Da die Forderung des Bauhandwerkers aber zu Recht bestand, blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als den Betrag der Pfandsumme des auf ihrem Miteigentumsanteil eingetragenen Pfandrechts nochmals zu bezahlen. Nur so konnten sie die Löschung des Pfandrechts erwirken.
Jeder Käufer einer Stockwerkeigentumseinheit muss sich deshalb beim Abschluss des Kaufvertrages überlegen, wie er das Risiko von solchen Doppelzahlungen minimiert. Das gilt vor allem dann, wenn die Arbeiten beim Kauf noch gar nicht abgeschlossen sind.