Die Kreditkrise ist in aller Munde. Doch nur wenige wissen, welche Wertpapiere den Banken so viel Kopfzerbrechen bereiten. Es lohnt sich, diesen Wertpapieren und den Problemen, welche die Banken mit diesen Papieren haben, etwas nachzugehen.
1. ABS und SPV
Bei den Wertpapieren (securities) , welche den Banken derzeit so grosse Probleme bereitet haben und wohl weiterhin bereiten werden, handelt es sich um forderungsbesicherte Wertpapiere. Der englische Ausdruck dafür ist ABS (asset-backed securities). Das forderungsbesicherte Wertpapier hat Zahlungsansprüche gegen eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV) zum Gegenstand. Die Ansprüche richten sich auf Zinszahlungen und auf die Rückzahlung der Grundforderung. Sichergestellt (backed) werden diese Ansprüche durch Forderungen (assets), welche im Rahmen des Strukturierungsprozesses auf die Zweckgesellschaft übertragen werden und dort deren Aktiven bilden.
Verkäufer dieser Forderungen (= Aktiven der SPV) waren im Fall der Subprime Krise vor allem Hypothekarkreditbanken in den USA. Diese gaben ihrerseits Hauseigentümern Kredite, damit diese den Erwerb von Land und den Bau des Hauses oder den Kauf des Hauses finanzieren konnten. Die Kredite wurden wiederum durch Hypotheken sichergestellt. Und genau diese Kreditforderungen wurden zusammen mit den Sicherheiten (Grundpfand) auf die SPV übertragen.
2. CDO und RMBS
Bei den CDO und bei den RMBS handelt es sich um spezielle Typen von ABS. Kennzeichnendes Merkmal sind die auf die SPV übertragenen Aktiven, welche den Gläubigern der SPV als Sicherheit dienen.
CDO (Collateralised Dept Obligations) sind strukturierte Kredite. Im Prinzip handelt es sich um Obligationen gegenüber den SPV, für welche innerhalb der SPV wiederum Obligationen oder sonstige Forderungen haften. Meist fallen hypothekarisch gesicherte Obligationen und sonstige Forderungen nicht unter den Begriff der CDO.
RMBS (Residential Mortgage Backed Securities) sind ebenfalls strukturierte Kredite. Haftungsgrundlage bilden in diesem Fall aber Hypothekarkredite, und zwar solche von Privatpersonen.
3. Problem Nr. 1: Abschreibungen auf den Aktiven der Banken
Die Banken, wie die UBS oder die CS, halten solche Wertschriften, wie sie oben beschrieben wurden, in Milliardenhöhe in ihren Beständen. Die Frage ist, warum diese Wertschriften derart massiv an Wert verloren haben.
Die Wertschriften enthalten Forderungen gegenüber bestimmten SPV’s. Wie oben ausgeführt, besitzen die SPV als Aktiven Obligationen, Forderungen oder Hypotheken gegenüber Dritten. Solange diese Drittforderungen ordnungsgemäss bedient werden, können die SPV ihrerseits ihre Schulden (Zahlung von Zinsen, Rückzahlungen) bedienen. Fallen aber die als Sicherheit dienenden Obligationen, Forderungen oder Hypotheken weg, sind auch die SPV nicht mehr zahlungsfähig. Einen eigenen Geschäftsbetrieb, mit welchem operativ Geld verdient werden könnte, besitzen die SPV’s nicht. Wohl können allfällige Hypotheken als Sicherheit für die Drittschulden dienen. Wenn aber der Wert des als Sicherheit dienenden Grundpfandobjektes massiv sinkt, wie dies in den USA wegen der Erosion der Bodenpreise derzeit der Fall ist, dann hat auch das Grundpfand keinen Wert mehr. Das gilt vor allem dann, wenn die Pfandhaftung nachrangig ist. Zudem ist die Realisierung von Pfandrechten auf Liegenschaften eine zeitaufwändige Arbeit. Kommt es zudem zu einem massenhaften und gleichzeitigen Verkauf von Liegenschaften, wird durch den Überhang des Angebotes bei gleichzeitigem Fehlen einer Nachfrage der Preis der Pfandobjekte erst recht zerstört.
Wie so oft in einem Sanierungsfall, fehlte bei den SPV’s zunächst die Liquidität zur Schuldentilgung und zu einem späteren Zeitpunkt dann auch noch die Substanz.
Besitzt nun eine Bank CDO oder RMBS in ihren Büchern, kommt sie nicht darum herum, die Bestände neu zu bewerten. Die Bewertung folgt, da vor allem amerikanische Bodenkredite zur Diskussion stehen, der Bewertung des als Sicherheit dienenden Bodens in den USA. Die Bodenpreise in den USA kennen derzeit aber nur eine Richtung, nämlich die Abwärtsbewegung. Bei nachrangigen Pfandrechten sind die Grundpfandsicherheiten zudem noch schneller nichts mehr wert.
4. Problem Nr. 2: Reduktion des Eigenkapitals
Wenn wie im vorliegenden Fall grosse Bestände an CDO und RMBS neu bewertet werden müssen und dabei ein grosser Abschreibungsbedarf entsteht, und wenn gleichzeitig der Gewinn aus dem übrigen operativen Geschäftsbereich nicht ausreicht, um die Abschreibungen zu decken, wird sofort das Eigenkapital der Bank angetastet.
5. Problem Nr. 3: Liquiditätsengpass
Die Reduktion des Eigenkapitals führt im nächsten Schritt dazu, dass das Kreditvolumen der Bank zurückgenommen werden muss bzw. keine neuen Kredite mehr erteilt werden können. Denn jeder Kredit muss zu einem gewissen Prozentsatz mit Eigenkapital unterlegt sein. Wird aber ein grosser Teil von Eigenkapital vernichtet und dienen zudem die wertlosen Wertpapiere wie CDO oder RMBS nicht mehr als Sicherheit bei der Refinanzierung, müssen die übrigen liquiden Wertschriften der Bank als «Kreditsperre» dienen. Besonderes gefährlich ist diese Situation, weil die Bank ihr Kreditvolumen wegen vertraglichen Bindungen nicht sofort zurückfahren kann. Und genau in diesem Punkt beginnen die Liquiditätsprobleme der Banken.
6. Problem Nr. 4: Finanzwirtschaftliche werden zu realwirtschaftlichen Problemen
Kommt es aber zu einer plötzlichen Reduktion des Kreditvolumens, wird sofort auch die Realwirtschaft betroffen. Die Banken müssen bestehende Kredite kündigen und zudem können sie kaum noch neue Kredite vergeben. Ohne Kreditfinanzierung aber werden Investitionen nicht mehr getätigt. Auch die operative Geschäftstätigkeit muss eingeschränkt werden. Das führt dazu, dass das Produktionspotenzial einer Wirtschaft nicht mehr ausgeschöpft wird. All das kann, wenn die Kräfte gross genug sind, zu einer Rezession führen.
Fazit
Dass Bankengagements zu Verlusten führen, gehört zum Bankgeschäft. Speziell bei der Subprime Krise ist denn auch nicht das Engagement an sich, welches bei den Banken zu Verlusten geführt hat. Speziell sind demgegenüber drei Punkte:
Zuerst ist der Umfang des Engagements beachtlich. Offensichtlich wurden bei den Banken gefährliche Klumpenrisiken eingegangen.
Zudem sind bei der Strukturierung der Wertschriften die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des amerikanischen Bodenmarktes und der Bewertung der obigen Wertschriften nicht korrekt berücksichtigt worden.
Vor allem wurde nicht beachtet, dass die Strukturierung und die dadurch bewirkte – künstliche – Nachfrage nach Hypothekarkrediten die hohen Bodenwerte erst geschaffen hat, welche jetzt wieder vernichtet werden.