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Riskmanagement (Teil 1): Pflicht eines jeden Verwaltungsrats

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Ein zentraler Baustein des schweizerischen Wirtschaftsgefüges ist bekanntlich die Aktiengesellschaft, von denen hierzulande tausende und abertausende in den verschiedensten Grössen existieren, von der Einmann-AG bis zum Weltkonzern wie etwa Nestlé. Oberstes Leitungs- bzw. Aufsichtsgremium ist gleichfalls bekanntlich der Verwaltungsrat, der einerseits zusammen mit Geschäftsleitung und Mitarbeitern die Geschicke der Firma leitet, andererseits aber auch die Investitionen der Geldgeber zu schützen hat; letzteres insbesondere bei börsenkotierten Gesellschaften. Dass in den letzten Jahren das Wirtschaftsleben zunehmend rauer geworden ist, ist ebenfalls eine Binsenwahrheit. Auch wenn in der Schweiz die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft vielleicht weniger dramatisch ausgefallen sind als im Ausland, sind die Anforderungen an die Verwaltungsräte zweifellos erheblich gewachsen. Die Zeiten, in welchen ein VR jeweils unvorbereitet an Verwaltungsratssitzungen erscheinen konnte, um dort sog. „Veloständerprobleme“ zu lösen, gehören endgültig der Vergangenheit an. Eine zentrale Verpflichtung des VR ist heute, nicht nur für die Ertragsmaximierung zu sorgen, sondern auch eine angemessene Risikobeurteilung vorzunehmen. Dazu ist er seit dem Jahre 2008 nun auch gesetzlich verpflichtet.

Die Pflicht des VR, sich systematisch mit den Risiken ihres Unternehmens auseinanderzusetzen, ergibt sich aus Art. 663b OR und leitet sich aus der Oberaufsicht des Verwaltungsrates über die Unternehmungsführung ab. Sie gilt als allgemeine Bestimmung des Obligationenrechts also für alle Aktiengesellschaften und nicht nur für börsenkotierte Unternehmungen oder nur für solche, die einer ordentlichen Revision unterliegen. Gleichfalls gilt die Verpflichtung zur Risikobeurteilung über die Rechtsform der AG hinaus auch etwa für GmbHs, Genossenschaften und sogar Stiftungen. Das Risikomanagement gehört zu den sog. unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrates, für die er letztendlich allein die Verantwortung trägt. Er kann die Durchführung selber allerdings einem speziellen Risikoausschuss übertragen. Was genau Inhalt des Risikomanagements ist, hängt individuell vom Gesellschaftszweck der jeweiligen Aktiengesellschaft ab. In jedem Fall sind neben den „formellen“ Risiken (z.B. Brand der Produktionsstätte) auch die eigentlichen Geschäftsrisiken (z.B. Finanzkrise im Falle einer Bank) zu beurteilen. Die möglichen Risikofaktoren sind bereits bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie mitzuberücksichtigen. Für den Fall des Eintritts eines bestimmten Risikos sind vorgängig Massnahmen zu erarbeiten und die Umsetzung zu überprüfen. Die neuen Gesetzesvorschriften schreiben insbesondere auch vor, dass der VR die vorgenommene Risikobeurteilung in einem Anhang zur Jahresrechnung festhält. Im Falle von Publikumsgesellschaften mag ebenfalls ratsam sein, die vorgenommenen Überlegungen zur Risikobeurteilung zu publizieren.

Dass die Verpflichtung des VR, in jedem Fall eine Risikobeurteilung durchzuführen, je nach Gesellschaftszweck manchmal übertrieben erscheinen mag, kann sein. Trotzdem sollte der VR tunlichst darauf achten, dass er eine solche vornimmt und dass sie nicht bloss eine Alibiübung ist. Auch im Zuge der vorgeschriebenen externen Revision einer AG wird nämlich geprüft, ob eine solche stattgefunden hat; allerdings ohne materielle Überprüfung der vorgenommenen Beurteilung. Verletzt ein Verwaltungsrat sträflich die ihm obliegende Verpflichtung, für ein wirksames Risikomanagement zu sorgen, so droht ihm als Konsequenz letztendlich, dass er im Zuge einer Verantwortlichkeitsklage dafür einzustehen hat. Dass für den VR einer Bank weitergehende Verpflichtungen und auch Sanktionsdrohungen existieren als für jenen einer gewöhnlichen Handelsgesellschaft, ist nicht schwierig zu erraten. Davon jedoch im nächsten juristischen Advisor-Beitrag.