Sicher bekannt ist der Umstand, dass bei der Realisierung von Bauprojekten auftretende Ausführungsmängel schnell gerügt werden müssen. Weniger bekannt ist der Umstand, dass dies auch bei Planungsfehlern eines Ingenieurs gilt. Gemäss langjähriger Praxis ist im Normalfall die Rügefrist mit 7 Tagen sehr kurz. Das hat das Bundesgericht kürzlich wieder einmal festgehalten (4A_53/2012 vom 31. Juli 2012).
Sachverhalt
Die Stadt Winterthur beabsichtigte den Bau eines Schulhauses auf dem Gemeindegebiet. Dabei wurden einem Ingenieurbüro die Bauingenieurarbeiten übergeben. Genau ging es um die ingenieurtechnische Bearbeitung der Tragkonstruktion (Statik), die Ausführungsplanung und die Überwachung der Realisierung. Schon bald nach Baubeginn kam es zu Zweifeln an der Richtigkeit der statischen Berechnungen. Als der Baumeister mit den Arbeiten begann, erfolgte eine Abmahnung wegen angeblich ungenügender Armierung und der Verletzung von Betonnormen. Später traten Risse auf. Ein anderes Ingenieurbüro wurde mit der umfassenden statischen Überprüfung des Gebäudes beauftragt. Dieses lieferte einen Zwischenbericht am 4. Dezember 2006 und einen Kurzbericht am 12. Dezember 2006 ab. Der Kurzbericht enthielt die statischen Mängel in genügender Klarheit. Der definitive Prüfungsbericht trägt das Datum vom 11. Januar 2007 und ein stadtinterner Bericht das Datum vom 12. Januar 2007. Am 12. Januar 2007 wurde der ursprünglich mit der Statik beauftragte Ingenieur über die Mängel informiert. Die mangelhafte Statik wurde in der Folge behoben; doch kam es zu erheblichen Mehrkosten. Diese machte die Stadt Winterthur vom beauftragten Bauingenieur geltend.
Art des Vertrages
Das Bundesgericht hatte zuerst zu entscheiden, ob ein Auftrag oder ein Werkvertrag vorlag. Die Unterscheidung war deshalb von Bedeutung, weil beim Auftrag ein sorgfältiges Handeln ohne Rügefrist, beim Werkvertrag aber die Verschaffung eines Erfolges, verbunden mit straffen Rügeobliegenheiten, geschuldet ist. Das Bundesgericht hält einmal mehr fest, dass der Ingenieurvertrag, wie auch der Architektenvertrag, ein gemischtes Vertragsverhältnis darstellt, welcher Elemente des Auftrages und des Werkvertrages enthält. So ist bei der Überwachung ein Tätigwerden geschuldet, weshalb Auftragsrecht zur Anwendung kommt. Bei der Erstellung von Plänen und Berechnungen (Statik) handelt es sich demgegenüber um messbare Erfolge, weshalb Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt. Bei der Statik kam Werkvertragsrecht zur Anwendung.
Prüfungs- und Rügeobliegenheit
Beim Werkvertrag hat der Besteller nach der Ablieferung, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist, dessen Beschaffenheit zu prüfen und den Unternehmer von allfälligen Mängeln in Kenntnis zu setzen. Wird das abgelieferte Werk vom Besteller ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt, so ist der Unternehmer von seiner Haftpflicht befreit. Eine stillschweigende Genehmigung wird angenommen, wenn der Besteller die gesetzlich vorgesehene Prüfung und Rüge bei erkennbaren Mängeln unterlässt. Treten nicht erkennbare Mängel erst später auf, so muss die Anzeige sofort nach der Entdeckung erfolgen.
Bei unbeweglichen Bauwerken treten Mängel meist nach der Erstellung auf. Diese sind dann zu rügen. Planungsfehler werden oft später entdeckt, weil die Planungsmängel in der Ausführung nicht erkennbar sind. Regelmässig werden Planungsfehler erst nach Erstellung einer Expertise entdeckt. Dann aber sind sie ebenfalls sofort zu rügen, ansonsten die Ansprüche aus Planungsmängeln verwirken.
Im vorliegenden Fall wurden die Planungsfehler (mangelhafte statische Berechnungen) vor Fertigstellung des Bauwerks entdeckt. Das Handelsgericht und dann auch das Bundesgericht gingen davon aus, dass die Planungsfehler mit Vorliegen des Kurzberichts am 12. Dezember 2006 entdeckt wurden und damit bekannt waren. Vorher handelte es sich bloss um Vermutungen. Gerügt wurden die Mängel gegenüber dem Bauingenieur aber erst am 12. Januar 2007. Im Normalfall verlangt das Bundesgericht die Wahrung einer Frist für die Rüge von maximal 7 Tagen. Diese Frist war vorliegend ohne Rüge abgelaufen, weshalb die Ansprüche verwirkten und die Schadenersatzklage abgewiesen werden musste.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesgerichts ist aus zwei Gründen von Bedeutung. Erstens wird in Erinnerung gerufen, dass im gesetzlichen Werkvertragsrecht die Rügefrist kurze 7 Tage nach Entdeckung eines Mangels beträgt. Mit Ablauf dieser Rügefrist verwirken die Ansprüche. Zweitens sind bei unbeweglichen Bauwerken die Rügen der Ausführung (Mängel in der Erstellungsphase) und die Rügen der Planung (Mängel in der vorgelagerten Planungsphase) zu unterscheiden. Beide sind getrennt zu behandeln und auch getrennt zu erheben.