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Kündigung einer Familienwohnung

Wenn ein Vermieter eine Wohnung an eine Familie vermietet, sind bei der Kündigung ein paar Besonderheiten zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn nur einer der Ehegatten Vertragspartner ist, also der Vertrag nicht mit dem anderen abgeschlossen wurde. Diese Besonderheiten gelten auch bei eingetragenen Partnerschaften. Ein neuer Bundesgerichtsentscheid hat diese Besonderheiten wieder einmal ausgeleuchtet (BGE 139 III 7 ff. = Pra 102 (2013) Nr. 65).

Sachverhalt
Eine Frau mietete eine Dreizimmerwohnung in Genf. Um die Haftungsbasis zu erhöhen, wurde der Mietvertrag gemeinsam mit der Mutter abgeschlossen. Allerdings wohnte die Mutter nie in der Wohnung, war aber Mitmieterin. Ein paar Jahre später heiratete die Frau. Der Ehemann nahm den Namen der Frau an. In der Folge lebten die Ehegatten gemeinsam in der Wohnung. Später aber verliess der Ehegatte die Wohnung und zog zu seiner – neuen – Freundin. Das Datum des Auszuges konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Im Jahre 2009 kündigten die Vermieter das Mietverhältnis mit amtlichem Formular. Die Kündigung wurde der Frau und der Mutter zugestellt, nicht aber dem Ehemann. Die Einschreiben wurden von den beiden Mieterinnen nicht abgeholt. In der Folge, nach Ablauf der 30-Tages-Frist aber wandten sich die beiden Mieterinnen an die Schlichtungsbehörde für Mietsachen und verlangten die Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung, allenfalls Erstreckung des Mietverhältnisses. Für die Nichtigkeit beriefen sie sich auf den Umstand, dass die Kündigung dem Ehemann nicht zugestellt worden sei. Der Ehemann war am Verfahren nicht interessiert und nahm daran auch nicht teil.

Rechtliches
Beweislast

Strittig war zunächst die Frage, wer zu beweisen hatte, dass die Wohnung zum Zeitpunkt der Kündigung eine Familienwohnung war. Diese Frage nach der Beweislast wurde deshalb notwendig, weil der Auszug des Ehemannes nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Die Beweislastverteilung wird in Art. 8 ZGB geregelt. Wenn eine Partei einen Anspruch geltend macht, hat sie die Sachverhaltsgrundlagen für diesen Anspruch zu beweisen (rechtsbegründende Tatsachen). Demgegenüber hat die Gegenpartei die Beweislast für diejenigen Tatsachen zu tragen, welche zur Aufhebung oder zum Verlust des Anspruchs führen (rechtshindernde oder rechtsaufhebende Tatsachen). Für Tatsachen, welche eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel begründen, trägt die Partei, welche sich auf die Ausnahme beruft, die Beweislast. Vorliegend haben die Vermieter die gültige Kündigung nachgewiesen. Die Kündigungsmodalitäten bei einer Familienwohnung stellen eine Ausnahmeregelung dar. Die Mieterinnen konnten aber nicht nachweisen, dass es sich bei der Wohnung im Zeitpunkt der Kündigung um eine Familienwohnung handelte. Es war deshalb so zu entscheiden, wie wenn es sich nicht um eine Familienwohnung handelte.

Wer kann sich auf die Schutzbestimmungen bei Familienwohnungen berufen?
Bei Familienwohnungen (Art. 169 ZGB; Art. 266m und 266n OR) kann sich der Ehegatte oder eingetragene Partner, auch wenn er nicht Mietvertragspartei ist, eigenständig gegen eine Kündigung wehren. Damit er sich wehren kann, muss ihm der Vermieter die Kündigung auch dann zustellen, wenn er nicht Mietvertragspartei ist. Unterlassen der Zustellung der Kündigung führt nach Art. 266n OR zur Nichtigkeit der Kündigung. Familienwohnung ist dabei derjenige Ort, welcher die Funktion einer Unterkunft und des Zentrums des Familienlebens erfüllt. Eine Unterkunft verliert ihre Eigenschaft als Familienwohnung, wenn der durch die gesetzliche Bestimmung geschützte Ehegatte oder eingetragene Partner die Familienwohnung endgültig oder für unbestimmte Dauer von sich aus verlässt. Die oben zitierten Bestimmungen sollen nämlich denjenigen Ehegatten oder eingetragenen Partner schützen, der an der Wohnung weder dinglich (Eigentum) noch obligatorisch (Mietvertrag) berechtigt ist, wenn der andere Partner die Wohnung verlässt. Hier aber hat gerade der vom Gesetz geschützte Partner die Wohnung verlassen, weshalb er diesen Anspruch auch nicht in Anspruch nahm. In diesem Fall kann sich aber derjenige Ehegatte oder eingetragene Partner, der einerseits den Mietvertrag unterzeichnet hat und in der Wohnung bleiben will, nicht auf die in Art. 266o OR vorgesehene Nichtigkeit der Kündigung berufen, wenn sie nicht beiden Ehegatten oder eingetragenen Partnern zugestellt wird.

Fazit
Im vorliegenden Fall wurde deshalb die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit abgewiesen. Die Bedeutung des Falles liegt darin, dass Art. 266o OR vom Gesetzgeber zu weiter formuliert worden ist. Das Bundesgericht hat mit obiger Entscheidung eine Korrektur des zu weiten Wortlautes vorgenommen und sich dabei auf den Gesetzeszweck berufen (teleologische Reduktion).

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