Sachverhalt
Ein Generalunternehmer projektierte im Jahr 2004 5 Reihenhäuser in einer Ortschaft in Genf. Die fünf Werkverträge schloss er zwischen dem 4. August 2004 und dem 6. September 2004 ab. In den Werkverträgen wurde die Anwendung der Norm SIA 118 vereinbart. Zwischen dem 20. März 2005 und dem 1. März 2006 wurden die zwischenzeitlich erstellten fünf Reiheneinfamilienhäuser übergeben. Am 22. Juni 2008 kam es zu Überschwemmungen in Kellern. Aber erst 24. August 2008 wurde der Generalunternehmer von den Eigentümern eines Reiheneinfamilienhauses gerügt. Später folgten weitere Eigentümer mit Rügen. Am 16. Juli 2009 teilte der Generalunternehmer mit, dass er die notwendigen Massnahmen ergreifen und die Subunternehmer mit der Ausführung beauftragen würde. Nochmals am 2. September 2011 teilte er mit, dass er die notwendigen Arbeiten ausführen würde. Im Rahmen eines vorsorglichen Beweisverfahrens stellte ein Experte am 28. Februar 2014, dass die Kanalisation nicht den Bauregeln entsprechen würde. Am 15. März 2013 unterzeichnete der Generalunternehmer eine Erklärung, bis Ende 2014 auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, soweit diese nicht bereits eingetreten sei. Im ab anfangs November 2014 hängigen Prozess berief sich der Generalunternehmer auf die Verwirkung der Mängelrechte wegen verspäteter Rüge und auf die Verjährung wegen Ablaufs der 5-Jahresfrist ab Abnahme.
Streitgegenstand / Problemstellung
Grundsätzlich war die Verantwortlichkeit des Generalunternehmers wegen mangelhafter Arbeit erstellt. Offen aber war, ob die Ansprüche nicht verwirkt (untergegangen) oder verjährt (einredebelastet) waren (zum Entscheid vgl. Bundesgericht in 4A_256/2018).
Entscheidung
1. Werkvertrag; Anwendung der Norm SIA 118 und des OR
Im vorliegenden Fall war unstrittig, dass Werkvertragsrecht und insbesondere die werkvertraglichen Regeln der Norm SIA 118 und des OR anzuwenden waren.
2. Mängelrügen und deren Unterlassung
2.1 Besonderheit der Norm SIA 118
Treten bei einem Werkvertrag Mängel auf, sind diese zu rügen. Frage ist, in welche Frist diese Rügen erfolgen müssen. Die Norm SIA 118 kennt zwei Phasen
2.2 Phase 1: Zweijahresfrist
In einer ersten Phase – diese dauert zwei Jahre nach Abnahme des Werks – können Mängel jederzeit gerügt werden. Werden Mängel während der zwei Jahre festgestellt, aber nicht innerhalb dieser zwei Jahre gerügt, können für diese Mängel keine Mängelrechte mehr geltend gemacht werden. Man sagt, sie seien verwirkt.
2.3 Phase 2: Ablauf der zwei Jahre bis Ablauf von fünf Jahren
Werden Mängel während den zwei Jahren nicht festgestellt, spricht man von versteckten Mängeln. Diese müssen sofort nach der Entdeckung gerügt werden. Wird nicht umgehend reagiert (in der Regel innerhalb von sieben Tagen), so können für diese Mängel keine Mängelrechte mehr geltend gemacht werden. Sie verwirken.
2.4 Verzicht auf die Geltendmachung der Verwirkung
Allerdings ist diese Verwirkung nicht zwingend. Der Unternehmer kann auf die Verwirkung verzichten. Dies kann ausdrücklich oder stillschweigend geschehen. Ein stillschweigender Verzicht liegt z.B. vor, wenn der Unternehmer in Kenntnis der Verspätung die Mängelbehebung vorbehaltlos vornimmt. Nimmt der Unternehmer aber die Mängelrüge nur entgegen, ohne zu reagieren, so liegt darin kein Verzicht.
3. Frist für die Geltendmachung der Garantieansprüche
3.1 Dauer der Frist, Folge des Ablaufs
Gewährleistungsansprüche sind innerhalb von 5 Jahren ab Annahme des Werkes geltend zu machen. Wir diese Frist nicht eingehalten, kann der Unternehmer die Einrede der Verjährung erheben. Diese Einrede steht der Vollstreckung der Gewährleistungsansprüche entgegen.
3.2 Unterbrechung des Fristenlaufs durch Anerkennung
Durch Anerkennung wird der Lauf der fünf Jahre unterbrochen und es beginnt eine neue Frist von 5 Jahren zu laufen. Anerkennung ist jedes Verhalten des Unternehmers, das der Besteller nach Treu und Glauben als Bestätigung der Schuld verstehen darf.
4 Entscheidung
4.1 Verwirkung
Im vorliegenden Fall wären die Gewährleistungsansprüche verwirkt gewesen. Der Mangel, nämlich die Feuchtigkeit im Keller, wurde im Juni 2008 festgestellt, aber erst im August 2008 bzw. noch später gerügt. Weil die zweijährige Garantiefrist abgelaufen war, hätte unverzüglich nach Entdeckung gerügt werden müssen. Da aber der Unternehmer trotz Kenntnis von der Verspätung seine Mängelbehebungspflicht bestätigte, lag ein Verzicht auf die Verwirkung vor.
4.2 Verjährung
Die Gewährleistungsansprüche wären auch verjährt gewesen, nämlich zwischen dem 20. Dezember 2010 und dem1. März 2011. Aber der Unternehmer anerkannte am 16. Juli 2009 seine Schuldpflicht. Ab dann lief eine neue Fünfjahresfrist. Zudem verzichtete der Unternehmer zwischen dem 15. März 2013 und dem 31. Dezember 2014 darauf, die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Die Klageeinleitung am 6. November 2014 erfolgte deshalb rechtzeitig.
Fazit
Wer nicht die Neven wie die Eigentümer im besprochenen Fall hat, tut gut daran, festgestellte Mängel umgehend zur rügen und die entstandenen Ansprüche rasch geltend zu machen. Es ist meist eine riskante Strategie, auf die Grosszügigkeit der Unternehmer zu vertrauen.