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Grundstückvorvertrag und Konventionalstrafe

Es ist unterdessen bei den Liegenschaftsverkäufern und –käufern bekannt, dass Vorverträge, wenn sie Grundstücke betreffen, öffentlich beurkundet werden müssen, ansonsten sie nichtig sind. Weiterhin werden solche Verträge aber ohne Beurkundung abgeschlossen. Oft wird die Erfüllung des Vorvertrages durch eine Konventionalstrafe gesichert. Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid die Grenzen einer solchen Konventionalstrafe aufgezeigt (BGE 140 III 200 = Pra 2014 Nr. 102).

Sachverhalt
Der Verkäufer war Eigentümer eines Grundstückes in der Gemeinde Mezzovica-Vira im Tessin. Mit einer Vereinbarung vom 17. Juli 2009 verpflichtete sich der Verkäufer dazu, auf seinem Grundstück Stockwerkeigentum zu begründen und dem Käufer eine der Stockwerkeigentumseinheiten zu verkaufen. Die Vereinbarung trug den Titel „Absichtserklärung“. Das Kaufobjekt beinhaltete eine Fläche in einer Gewerbeliegenschaft. Der Kaufpreis wurde mit Fr. 500‘000.- abgemacht. In der Vereinbarung erklärten die Parteien, dass Ihnen bekannt war, dass die öffentliche Beurkundung notwendig sei. Für den Fall, dass eine der beiden Parteien die Vereinbarung nicht erfüllen sollte, wurde eine Konventionalstrafe von Fr. 100‘000.- abgemacht.
Der Verkäufer begründete das Stockwerkeigentum nicht, sondern verkaufte das Grundstück an einen Dritten.
Der Käufer machte deshalb die Konventionalstrafe geltend.

Notwendigkeit der öffentlichen Beurkundung
Nach Art. 216 OR ist für Vorverträge, wenn Grundstücke Objekt des Vertrages sind, die öffentliche Beurkundung notwendig. Wird diese Formvorschrift nicht eingehalten, führt dies zur Nichtigkeit des Vertrages. Es können dann daraus keine Erfüllungsansprüche abgeleitet werden.

Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs
Gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB findet der offenbare Rechtsmissbrauch keinen Rechtsschutz. Ob eine Partei rechtsmissbräuchlich handelt, wenn sie die Nichtigkeit eines Vertrages wegen Formmangel geltend macht, ist aufgrund der konkreten Umstände zu beurteilen. Bedeutungsvolle Umstände bei der Beurteilung sind: Haben die Parteien freiwillig und in Kenntnis des Formmangels erfüllt? Ist der nichtige Vertrag vollständig oder wenigstens zur Hauptsache erfüllt worden? Schützt die Formvorschrift gerade die Partei, welche sich auf die Nichtigkeit beruft? Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Berufung auf die Formnichtigkeit war deshalb nicht rechtsmissbräuchlich.

Verschulden bei Vertragsabschluss (culpa in contrahendo)
Die culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsabschluss) ist eine Anspruchsgrundlage, um Schadenersatz geltend zu machen. Sie ist ein Anwendungsfall der Haftung aus erwecktem Vertrauen. Allerdings kann nur das negative Interesse geltend gemacht werden. Die geschädigte Partei ist so zu stellen, wie wenn sie nie Vertragsverhandlungen aufgenommen hätte. Grundlage dieser Haftung ist die Pflicht, ernsthaft und ihren wirklichen Absichten gemäss zu verhandeln. Wohl können Verhandlungen jederzeit abgebrochen werden, auch ohne Rechtfertigung. Eine Partei darf aber nicht bei der anderen die trügerische Hoffnung auf einen Vertragsabschluss aufrechterhalten, obwohl sie einen solchen Vertragsabschluss gar nicht mehr anstrebt. Derart verursachte nutzlose Dispositionen sind der geschädigten Partei zu ersetzen. Das gilt nicht nur bei Arglist, sondern auch bei Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Absicherung einer solchen Haftung durch eine Konventionalstrafe
Eine solche Haftung aus culpa in contrahendo kann durch die Parteien mittels einer Konventionalstrafe abgesichert werden. Nicht abgesichert werden aber kann mit einer Konventionalstrafe das Unterlassen der Erfüllung, wenn es sich um einen formnichtigen Vertrag handelt. Dann nämlich würde die Konventionalstrafe ein widerrechtliches Verhalten absichern. Abgesichert werden kann also nur das negative Interesse bei Verletzung der culpa in contrahendo, d.h. vor allem nutzlose Aufwendungen, weil die andere Partei während den Verhandlungen Treu und Glauben verletzt.

Fazit
Die vorliegende Entscheidung bekräftigt die bisherige Praxis des Bundesgerichts: Eine Berufung auf die Formnichtigkeit wegen fehlender öffentlicher Beurkundung ist nur ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich. Neu ist aber im Entscheid der Umstand, dass die Verhandlungen, auch wenn es um einen formbedürftigen Vertrag geht, immer nach Treu und Glauben zu führen sind, bei schuldhaft enttäuschtem Vertrauen Schadenersatz im Rahmen des negativen Interesses zu zahlen ist, und vor allem, dass dieser Schadenersatz durch eine Konventionalstrafe abgesichert werden kann.