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Frist für die Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümergemeinschaft

Manch ein Stockwerkeigentümer hat sich schon über einen Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft geärgert und sich überlegt, ob er den Beschluss anfechten soll. Schnell klar ist, dass dies vor Friedensrichter und anschliessend, wenn dort keine Einigung gefunden wird, vor Gericht geschehen muss. Wie aber steht es mit den einzuhaltenden Fristen? Dazu hat sich das Bundesgericht in BGE 140 III 561 ff. = Pra 2015 Nr. 65 geäussert. Es hat dabei einen gar nicht so alten, aber missverständlichen Bundesgerichtsentscheid korrigiert.

Sachverhalt
Am 3. März 2011 fand eine ordentliche Generalversammlung der Stockwerkeigentümer statt. Es ging um die Zuteilung von Aussenparkplätzen an Eigentumswohnungen. Ein  Stockwerkeigentümer war mit dem gefassten Beschluss nicht einverstanden und focht ihn am 1. April 2011 vor Friedensrichter (im Kanton Bern Gemeinderichter) an. Am 11. Mai 2011 wurde die Klagebewilligung ausgestellt, weil die Einigungsbemühungen nicht fruchteten. Am 28. Juli 2011, also über zwei Monate später, wurde die Klage eingereicht. Es fragte sich, ob die Klage nicht verspätet beim Gericht eingereicht wurde. Art. 75 ZGB fordert nämlich eine Anrufung des Gerichts innerhalb eines Monats.

Grundlage: Art. 712m Abs. 2 und Art. 75 ZGB
Massgeblich für die anwendbare Frist ist zunächst Art. 712m Abs. 2 ZGB. Dieser Artikel hält fest, dass soweit das Gesetz nicht besondere Bestimmungen enthält, auf die Versammlung der Stockwerkeigentümer und auf den Ausschuss die Vorschriften über die Organe des Vereins und über die Anfechtung von Vereinsbeschlüssen Anwendung finden. Bezüglich Klagefrist wird damit auf Art. 75 ZGB verwiesen. Dort steht, dass Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten kann.
Klar ist, dass diese Monatsfrist für die Anrufung des Friedensrichters gilt. Wie steht es aber mit der anschliessenden Anrufung des Richters, wenn die Klagebewilligung ausgestellt wird: Gilt dafür auch die Monatsfrist? Diese wäre vorliegend nicht eingehalten worden. Im BGE 135 III 489 hat sich das Bundesgericht denn auch für die Monatsfrist bei der Einreichung beim Gericht entschieden. Allerdings betraf der Fall noch die Anwendung der alten Zivilprozessordnung des Kantons Bern.

Problematik gemäss ZPO: Art. 209 Abs. 3 und 4 ZPO
Nach Inkraftsetzung der eidgenössischen Zivilprozessordnung ist Art. 209 ZPO massgeblich. Absatz 3 dieser Bestimmung hält den Regelfall fest, dass nämlich nach Eröffnung der Klagebewilligung diese während dreier Monate zur Einreichung der Klage beim Gericht berechtigt. Absatz 4 der Bestimmung enthält Ausnahmen. Nicht anwendbar im vorliegenden Fall war die Bestimmung über Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht. In diesen Fällen ist eine Klagefrist von 30 Tage einzuhalten.
Absatz 4 enthält aber einen weiteren Satz, der sagt, dass weitere besondere gesetzliche und gerichtliche Klagefristen vorbehalten bleiben. Es fragt sich, ob die Verwirkungsfrist von Art. 75 ZGB eine solche Klagefrist ist. Bedeutungslos sind die gerichtlichen Klagefristen, weil es bei gerichtlich angeordneten Fristen nie zu einem Friedensrichterverfahren kommt (Art. 198 lit. h ZPO). Unklar war damit nur noch der Begriff der gesetzlichen Klagefristen. Das Bundesgericht entschied nun, dass mit diesem Begriff nur prozessuale Prosequierungsfristen gemeint sind, nicht aber vom materiellen Recht festgelegt Verwirkungsfristen wie z.B. diejenige von Art. 75 ZGB.

Fazit
Damit steht fest, dass ein Stockwerkeigentümer, wenn er mit einem Beschluss der Gemeinschaft nicht einverstanden ist, wohl innerhalb eines Monats den Friedensrichter anrufen muss, dann aber, wenn die Klagebewilligung erteilt worden ist, drei Monate Zeit bis zur Einreichung der Klage beim Gericht hat. Der Kläger konnte im vorliegenden Fall durchatmen. Einige Kommentare zur ZPO müssen aber bei der nächsten Auflage angepasst werden.