Recht haben und Recht bekommen, sind zwei verschiedene Dinge. Mit diesem Satz sind vor allem die Unwägbarkeiten eines Prozesses gemeint. Vor allem ist es oft schwierig, die für die Rechtsanwen¬dung notwendigen Tatsachen zu beweisen. Aber auch die Dauer eines Prozesses kann eine Person vor der Einleitung abschrecken. In diesem Punkt sieht die Zivilprozessordnung (ZPO) immerhin in klaren Fällen eine Vereinfachung vor. Einen typischen Fall enthält der Bundesgerichtsentscheid in 5A_19/2015.
Sachverhalt
K und B standen sich in einem Prozess gegenüber. Beide besitzen ein Grundstück, wobei die beiden Grundstücke nebeneinanderliegen.
Zugunsten von K ist auf dem Grundstück von B ein Fuss- und Fahrwegrecht eingetragen. K musste die Eintragung des Fuss- und Fahrwegrechtes über ein Grundbuchberichtigungsverfahren erstreiten. Immerhin war es dann aber im Grundbuch eingetragen. B verweigerte K trotzdem immer wieder die Ausübung des Fuss- und Fahrwegrechts.
Schliesslich verlor K die Geduld und klagte B auf jederzeitige Duldung des Durchgangs auf dessen Grundstück ein, unter Androhung von Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB und Zwangsvoll-streckung im Weigerungsfall.
K stützte sich für die Klage gegen B auf die im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit.
Rechtslage
Wie sollte K nun im Einzelnen vorgehen?
a) Ordentliches oder vereinfachtes Prozessverfahren als Regelfall
K hätte die Möglichkeit gehabt, B im ordentlichen oder vereinfachten Prozessverfahren einzuklagen. Er hätte in einem ersten Schritt den Friedensrichter anrufen und dann die Klagebewilligung beim zuständigen Gericht einreichen können. Je nach Streitwert wäre das Verfahren schriftlich oder auch mündlich gewesen.
Ein solcher Prozess ist aber sehr aufwändig und dauert oft sehr lange.
b) Rechtsschutz in klaren Fällen als Ausnahme
Die Zivilprozessordnung sieht in klaren Fällen ein einfacheres Verfahren vor. Geregelt ist es in Art. 257 ZPO. Es stellt eine Alternative zum ordentlichen oder vereinfachten Verfahren dar. Anwendbar ist das summarische Verfahren. Der Prozess wird direkt beim Gericht eingeleitet, d.h. die Anrufung des Friedensrichters ist nicht notwendig.
c) Klarer Fall als Eintretensvoraussetzung
Allerdings ist dieses schnelle Verfahren nur in klaren Fällen anwendbar.
Vorausgesetzt werden zwei Voraussetzungen:
Klarer Sachverhalt: Einerseits muss der Sachverhalt entweder unbestritten oder sofort beweisbar sein. Der Sachverhalt ist sofort beweisbar, wenn er ohne zeitliche Verzögerung und ohne grossen Aufwand nachgewiesen werden kann. Es muss aber auch hier der volle Beweis erbracht werden, in der Regel durch Urkunden. Sofortige Beweisbarkeit des Sachverhalts liegt nicht vor, wenn die Gegenseite begründete und schlüssige Einwendungen vorbringt, die nicht sofort widerlegt werden können und die Überzeugung des Gerichts erschüttern.
Klare Rechtslage: Andererseits muss die Rechtslage klar sein. Das ist der Fall, wenn sich die geforderte Rechtsfolge ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt, also die Auslegung durch verbreitete Lehre und Rechtsprechung gestützt werden kann. Fordert die anwendbare Norm einen Ermessens- und Billigkeitsentscheid des Gerichts aufgrund einer Würdigung aller Umstände, so liegt keine klare Rechtslage vor.
d) Nichteintreten bei Fehlen eines klaren Falls
Liegt kein klarer Fall vor, tritt das Gericht auf die Klage nicht ein. Der Kläger muss dann das ordentliche oder vereinfachte Verfahren einleiten, wenn er auf seiner Klage beharren will. Liegt ein klarer Fall vor, wird die Klage gutgeheissen.
e) Materielle Beurteilung
Bei Dienstbarkeiten liegen regelmässige klare Sachverhalte und Rechtslagen vor. Sie eignen sich deshalb für den Rechtsschutz in klaren Fällen. Das gilt übrigens allgemein, wenn sich die Ansprüche aus klar formulierten schriftlichen Verträgen ergeben.
Entscheidung
Im vorliegenden Fall hat auch das Bundesgericht die Klarheit von Sachverhalt und Recht bejaht und die Klage geschützt bzw. die Beschwerde in Zivilsachen abgewiesen.
Fazit
Im Hinblick auf eine einfache Durchsetzung von Rechten lohnt sich eine klare schriftliche Fixierung in Verträgen immer.