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Das neue mietrechtliche Verfahren

Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz erstmals eine einheitliche Zivilprozessordnung (ZPO) für die ganze Schweiz. Bisher gab es für jeden Kanton eine solche. Von der Änderung ist auch das mietrechtliche Verfahren betroffen. Bisher gab es wohl gewisse einheitliche Regeln, welche im Obligationenrecht verankert waren. Diese Regeln wurden aber nicht ins neue Recht übernommen. Es wurden im Gegenteil neue Regelungen geschaffen.

I. Zuständigkeit
Nach Art. 33 ZPO gilt als örtliche Zuständigkeit für miet- oder pachtrechtliche Streitigkeiten der Ort der gelegenen Sache, also der Ort des Miet- oder Pachtobjektes. Der Mieter oder Pächter kann auf diesen Gerichtsstand nicht zum Voraus verzichten. Er kann auch nicht zu Lasten des Mieters oder Pächters durch Einlassung begründet werden. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist erst nach Entstehung einer Streitigkeit möglich (Art. 35 ZPO).

II. Schlichtungsverfahren
Obligatorische Schlichtung

Bevor es in miet- oder pachtrechtlichen Streitigkeiten zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt, ist ein Schlichtungsverfahren vor einer Paritätischen Schlichtungsbehörde durchzuführen. Das Verfahren wird durch Schlichtungsgesuch eingeleitet. Anschliessend hat innerhalb von zwei Monaten eine Verhandlung stattzufinden. Die Schlichtungsbehörde kann sich Urkunden vorlegen lassen oder einen Augenschein durchführen (Art. 203 ZPO). Die Parteien haben grundsätzlich persönlich zu erscheinen (Art. 204 ZPO). Aussagen während der Schlichtung dürfen weder protokolliert noch im Entscheidverfahren verwendet werden (Art. 205 ZPO).

Einigung oder Klagebewilligung
Kommt es vor der Schlichtungsbehörde zu einer Einigung, so wird diese Einigung protokolliert (Art. 208 ZPO). Kommt keine Einigung zustande, so wird dies von der Schlichtungsbehörde festgehalten und die Klagebewilligung erteilt. Bei der Anfechtung von Mietoder Pachtzinserhöhungen wird die Klagebewilligung dem Vermieter oder Verpächter erteilt, in den übrigen Fällen der klagenden Partei (Art. 209 ZPO). Die Klagefrist beträgt für Streitigkeiten aus Miete oder Pacht 30 Tage (Art. 209 Abs. 4 ZPO).

Möglichkeit eines Urteilsvorschlages
Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien in Streitigkeiten aus Miete oder Pacht von Wohn- oder Geschäftsräumen einen Urteilsvorschlag unterbreiten, wenn es um eine der folgenden Streitigkeiten geht (Art. 210 Abs. 1 lit. b und lit c ZPO):
– Hinterlegung von Miet- oder Pachtzinsen
– Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen
– Kündigungsschutz
– Erstreckung des Miet- oder Pachtverhältnisses
– Vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 5‘000.

Der Urteilsvorschlag gilt als rechtskräftiges Urteil, wenn der Vorschlag nicht von einer der Parteien innerhalb von 20 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung abgelehnt wird. Die Ablehnung braucht keine Begründung. Wird abgelehnt, stellt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung aus (Art. 211 ZPO).

Möglichkeit eines Entscheids
Handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit bis zu einem Streitwert von CHF 2‘000 und wird dies von der klagenden Partei gefordert, so kann die Schlichtungsbehörde auch entscheiden (Art. 212 ZPO).

III. Gerichtsverfahren
Besondere Mietgerichte

Die Gerichtsorganisation bleibt kantonale Kompetenz. Die meisten Kantone sehen für miet- und pachtrechtliche Streitigkeiten keine besonderen Gerichte vor, sondern belassen diese Streitigkeiten bei den ordentlichen Gerichten. Oft ist ein Einzelrichter zuständig. Nur vereinzelte Kantone – so der Kanton Zürich – besitzen ein spezialisiertes Mietgericht.

Verfahren
Für vermögensrechtliche miet- und pachtrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30‘000 gilt ein vereinfachtes Verfahren und die Untersuchungsmaxime. Das gleiche gilt unabhängig vom Streitwert für die folgenden Streitigkeiten: Hinterlegung von Miet- oder Pachtzinsen, Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, Kündigungsschutz und Erstreckung des Miet- oder Pachtverhältnisses. Untersuchungsmaxime bedeutet, dass das Gericht bei der Sammlung des Sachverhalts durch die Ausübung des Fragerechts behilflich ist und von Amtes wegen Beweise erhebt. Noven sind unbeschränkt zulässig. Die Offizialmaxime gilt insoweit, als das Gericht von Amtes wegen die Frage der Erstreckung prüft, wenn es ein Begehren um Anfechtung der Kündigung abweist.

IV. Zusammenfassung
Das mietrechtliche Verfahren wurde durch die Revision der ZPO konsequent in das ordentliche Gerichtsverfahren integriert. Einige miet- und pachtrechtliche Besonderheiten bleiben aber bestehen.